Friederike Gösweiner, Traurige Freiheit

Friederike Gösweiner, Traurige Freiheit

Ich gehöre jetzt einem Literarischen Quintett an! Ist das nicht schön schrullig? Auf Betreiben meiner Freundin Ines treffen einander 5 Frauen um über ein Buch zu sprechen, über dessen Wahl demokratisch abgestimmt wurde.

Ich hatte  ja Peter Henisch, Suchbild mit Katze, nominiert. (Wie auf merksame LeserInnen wissen, liebe ich Henisch!) Außerdem gingen John Irving, Straße der Wunder, Heinrich Steinfest, Der Allesforscher und Martin Suter, Elefant, ins Rennen. Die Demokratie verdammte mich jedoch zu Traurige Freiheit.

Na wenigstens eine Frau, dachte ich, eine österreichische. Der Klappentext machte mir Angst. Die Geschichte beruflichen Scheiterns könnte man eventuell persönlich nehmen. Hoffnung machte mir hingegen das „Sprachkunstwerk“, das mir Klaus Zeyringer von Literatur und Kritik am Buchrücken versprach.

Ich mach´s kurz: Es gibt 2 gute Dinge an Traurige Freiheit: Es hat nur 143 Seiten und den Satz „Von hier nehmen, das musste man das Leben.“ Der Rest ist eine Aneinanderreihung von Ödnis inhaltlich wie sprachlicher Natur. Banale Metaphern, die alle mit irgendwie „Fallen“ zu tun haben.

„Es gab ja kein Entrinnen, nichts konnte den Mann retten. Und er war ganz allein, da war niemand sonst, niemand, der Notiz nahm von ihm. Er war ganz allein mit sich auf dem Foto. Er fiel und fiel und fiel, haltlos (sic!), verloren, allein. Es war bestürzend (sic!), das zu sehen (…)“

Echt jetzt: „haltlos“, „bestürzend“? Vielleicht ist diese begriffliche Flachheit ja schon wieder genial, bloß erkenne ich es halt nicht …

Andere sehen das ja auch anders. Sonst hätte Gösweiner wohl nicht den Öster. Buchpreis verliehen bekommen. Auch das Restquartett (oder ist das jetzt das Restqunitett?) war nicht ganz so kritisch. Christine war sogar sehr angetan! Es wäre ein Roman typisch für die Generation Y. Eine Generation, die nie gelernt hätte zu scheitern und letztlich daran zerbrechen müsse. Der fehlende sprachliche Manierismus wurde als mutig und konsequent beurteilt. Als Sprache der Zeit.

Schön war jedenfalls, mit anderen Literaturinteressierten darüber zu sprechen. Zu hören, dass es durchaus auch eine andere Rezeption als die eigene gibt. Dazu hat mensch ja nur selten die Gelegenheit. (Mit dem Feuilleton lässt sich schwer in Dialog treten…)

Friederike Gösweiner Traurige Freiheit Verlag Droschl 9783854209768 143 Seiten
Friederike Gösweiner
Traurige Freiheit
Verlag Droschl
9783854209768
143 Seiten

Erster Satz: „Dann hat es wohl keinen Sinn mehr“, sagt Hannah.

Bis zum nächsten Mal wird´s eine Weile dauern. Wir haben uns den 900 Seiten starken Roman Ein wenig Leben der Hawaianerin Hanya Yanagihara vorgenommen, den mir am selben Tag auch meine Freundin Petra ans Herz gelegt hatte.

Meanwhile höre ich den zweiten Band des neapolitanischen Familienepos´ von Elena Ferrante. Seeehr zu empfehlen!


PS: Danke für den Motivationsschub an Flo Schmidt, der einen neuen Blogbeitrag urgierte & auch bekam 😉

Robert Seethaler, Der Trafikant

Robert Seethaler, Der Trafikant

Nicht mehr neueste Ware, aber aktuell, da der Autor mit einigen Auszeichnungen versehen wurde – die wichtigste: Buchpreis der Wiener Wirtschaft. Nein, Spaß beiseite: Robert Seethalers Roman, Ein ganzes Leben, wurde für den Man Booker Prize nominiert. Der Man Booker International Prize gehört zu den renommiertesten internationalen Literaturpreisen.

Aber zurück zum Trafikanten. Eigentlich hab ich das Buch für meinen Kollegen und Freund Ronny gekauft, dessen Grafikstudio „Trafikant – Handel mit Gestaltung“ heißt. Als ich das Buch entdeckte, war es aber schon ein alter Hut (Erscheinungsjahr 2013) und  – natürlich – irgendwer war schneller: Ronny kannte es schon. Also kam es zu  mir zurück. Und jetzt ist es gelesen. Und es ist gut. Also ich jedenfalls mag es sehr. Es ist eine unaufgeregte Geschichte von einem jungen Mann, der vom Ausseer Land in die große Stadt kommt. Bei einem Verwandten, der eine Trafik führt, findet er Aufnahme. Nach und nach lernt er die große Welt aus den Zeitungen, die Vorlieben der Stammkunden, die Aromen der Zigarren und die Liebe kennen.

Ein Stammkunde, ein gewisser  Dr. Freud, interessiert Franz besonders, heißt es doch, der berühmte Doktor könne Menschen in Liebesdingen heilen. Und die Liebe macht Franz zu schaffen. Also beschließt er, den Professor um Rat zu fragen. Beharrlich verfolgt er Freud (Heute wäre Franz ein Stalker 😉 und schafft es, das Interesse des Psychoanalytikers zu wecken. Die unverfrorene Art des jungen Trafikanten  imponiert dem alten Herren. Immer wieder suchen sie das gemeinsame Gespräch.

Doch die Freundschaft währt nicht lange. Die Nationalsozialisten kommen an die Macht. Franz´ Onkel, der aufrechte Trafikant, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, wird rasch ein Opfer der Gestapo.  Auch Freud muss Wien verlassen und schafft noch rechtzeitig die Flucht nach England. Nicht ohne noch ein letztes Mal mit seinem jungen Freund ein Gespräch über die Liebe zu führen.

Der Trafikant ist ein aufgeregtes, stilles Buch. Mit feinem Humor und viel G´spür. Andreas Platthaus, Literaturkritiker der FAZ schreibt: „Diese unerklärliche Leichtigkeit des Schreibens ist so wohltuend.“ Genauso habe ich das auch empfunden: Große Schicksale werden mit einer Leichtigkeit erzählt, die man sich selbst für seine Einstellung zum Leben wünschen würde!

Robert Seethaler
Der Trafikant
Klein & Aber Pocket
250 Seiten
978-3-0369-5909-2

 

Erster Satz: An einem Sonntag im Spätsommer des Jahres 1937 zog ein ungewöhnlich heftiges Gewitter über das Salzkammergut, das dem bislang eher ereignislos vor sich hin tröpfelnden Leben Franz Huchels eine ebenso jähe wie folgenschwere Wendung geben sollte.

Vladimir Vertlib, Lucia Binar und die russische Seele

Vladimir Vertlib, Lucia Binar und die russische Seele

Mpf. Bin ein bisschen enttäuscht. Da eines meiner Lieblingsbücher ebenfalls von Vladimir Vertlib stammt, Die besondere Geschichte der Rosa Masur, hab ich mich sehr auf eine weitere Frauen-Geschichte des in Österreich lebenden Russen Vertlib gefreut.

Seine neue Protagonistin, Lucia Binar, ist mit ihren 83 Jahren denn auch eine (vermeintlich liebe) alte Dame. Doch wehe, es geht ihr etwas gegen den Strich!

Aktuell kämpft sie darum, in ihrer Wohnung in der Großen Mohrengasse bleiben zu dürfen – ganz gegen den Willen von Hauseigentümer Willi Neff. Der würde das Haus gerne mieterbereinigt und saniert an Investoren verkaufen.

Aber er hat nicht mit dem Durchsetzungsvermögen von Lucia Binar gerechnet. Ihr hohes Alter macht sie nahezu unangreifbar. Dazu geht sie ungewöhnliche Allianzen ein, etwa mit dem Obdachlosenpaar in ihrem Hausflur. Wenn ihr jemand körperlich zu nahe zu kommen droht, der lernt den schnellen Angriff des Jiu-Jitsu-erfahrenen Studenten Moritz kennen. So kann keiner das Erfolgsduo aufhalten.

Das Übersinnliche – in Gestalt des Metaphysikers (?) Viktor Viktorowitsch Vint – löst schließlich auch den Rest der Probleme. Wobei die Botschaft Denk gut drüber nach, was du dir wünschst ein bisschen sehr platt daherkommt.

Das Buch liest sich leicht. Es ist lustig, gespickt mit vielen Zitaten aus der russischen Lyrik – echten wie erfundenen. Aber an „meine“ Rosa Masur kommt es bei weitem nicht heran.

Vladimir Vertlib
Vladimir Vertlib
Lucia Binar und die russische Seele
Deuticke Verlag
318 Seiten

 

  Erster Satz: Wenn ich jetzt sterbe, dann kann ich damit leben.

Die Wunderübung – Daniel Glattauer

Die Wunderübung – Daniel Glattauer

Ich bin ja bekennender Fan der Glattauer-Brüder. Angefangen mit Daniels Theo und der Rest der Welt über Gut gegen Nordwind inkl. Fortsetzung Alle sieben Wellen bis hin zu Niki Glattauers (wahnsinnig lustig!) Leider hat Lukas.

Die Wunderübung ist ein kleines Kammerspiel. Eine Komödie in einem Akt: Joana und Valentins Ehe scheint am Ende. Dennoch besuchen gemeinsam eine Paartherapie. Schon nach wenigen Seite fragt frau sich allerdings warum.

Der Therapeut bemüht, sich redlich, doch die beiden scheinen willentlich resistent. Sie tauschen Gemeinheiten aus tiefster Schublade aus, pecken aufeinander ein wie wild gewordene Hühner, Fremdschämen bleibt nicht aus.

Doch letztlich verläuft die therapeutische Intervention ganz anders als erwartet. Ob Joana und Valentin zusammenbleiben oder nicht, wird hier natürlich nicht verraten.

110 schmale Seiten, perfekt für einen Nachmittag unterm Sonnenschirm.

Daniel Glattauer
Daniel Glattauer
Die Wunderübung
Deuticke Verlag
9783552062399

 

 

Leider hat Lukas…- Niki Glattauer

Leider hat Lukas…- Niki Glattauer

Mitteilungsheft:

A. Fiedler-Lehmann

Sehr geehrter Herr Fessa!

Vielen Dank für die großartigen 3 Stunden, die Sie mir mit Ihrem neuen Buch beschert haben! Selten so oft laut gelacht beim Lesen! Allein der Prolog! Herrlich! (Mir gehen die Rufzeichen aus…!) Und obwohl für mich als Mutter 2er Kinder im ähnlichen Alter das Ende vorherzusehen war, so habe ich die pausenlose Lektüre wirklich genossen!

Hochachtungsvoll

Ihre A.F-L.

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Wer Kinder hat, die in die Schule gehen oder gingen bzw. sich an die eigene Schulzeit erinnert, wird sich in diesem Buch garantiert häufig wiederfinden. Herrlich die Kommentare der Mutter, Sabine Gruber,  die die schulische Meta-Betreuung des Sohnes ihrem Mann übergibt, weil sie es sich, ihrem Sohn zuliebe, nicht vollends mit der Klassenvorständin verscherzen möchte.

Ehemann Walter Gruber soll es aber nicht besser ergehen. Zunächst, voll des guten Willens, übernimmt er das Amt des Kümmerers bzw. Aufsehers über die die Schulkarriere der Progenitur mit Optimismus. Die schlechte Stimmung ist doch sicher nur der Frechheit der Mutter gegenüber der Klassenvorständin geschuldet… Mit ein bisschen Entgegenkommen, Humor (in Form von Smileys gekennzeichnet, man weiß ja nie, ob man nicht falsch verstanden wird) und Engagement wird er das Kind schon schaukeln 😉 Bald muss jedoch auch er erkennen, dass er einen aussichtlosen Kampf an zu vielen Fronten führen muss. Vor allem sein Sohn Lukas, 13, derzeit minderbegabt und -motiviert, obstruiert die vielen Versuche seines Vaters. Allerdings mehr beiläufig als bösartig…

Das Ende sei verraten ohne zuviel zu verraten: Die Geschichte geht gut aus – so gut sie halt ausgehen kann!

Hier eine kleine Leseprobe, die das Herz aller minderbegabten MathematikschülerInnen höher schlagen lässt:

Spätestens ab der 6. Schulstufe sind 2 Stunden Mathe pro Woche ausreichend. Eine Stunde, in der man für jene Lebenslagen gerüstet wird, in denen man Mathematik braucht: a) das Gegenrechnen von Überziehungszinsen auf dem Gehaltskonto mit den Zinsen für einen etwaigen Kredit zum Abdecken desselben, b) das Nachrechnen von All-In-One-Gratis-Handy-TV-Internet-Monatsabrechnungen, c) das Berechnen der benötigten Menge Farbe zum Ausmalen der neuen Mietwohnung, in die man gezogen ist, nachdem der Mietpreis in der alten quasi im Wochentakt quasi wertgesichert wurde. Dann eine halbe Stunde  für regelmäßiges, lockeres Kopfrechnen (den Kopf hat man nämlich meistens dabei , wenn´s drauf ankommt, Papier und Füllfeder nicht), und die letzte halbe Stunde für das Beherrschenlernen von Taschenrechner, Handyrechner und Rechner am PC.

Für alle, die mehr rechnen wollen – z.B. weil sie PISA-Auswerter, Physiknobelpreisträgerin oder Science Buster werden wollen – , sollte Mathe nachmittags als unverbindliche Übung angeboten werden, zur freien Wahl in einem Topf mit „Darts“, „Lustig reimen“ und „Sitzfußball.

Glattauer schreibt in Mitteilungsheften, Mails oder digitalen Tagebucheintragungen. Die Illustrationen von Verena Hochleitner finde ich entbehrlich, aber sie tragen zur Leichtigkeit der Lektüre bei.

Ein wahres Lesevergnügen für alle Betroffenen!

PS: Vergessen sie nicht das Glossar zu lesen! Beispiel gefällig?

Stunde
Ist. Außer es ist Pause. (…)

leiderhat
Niki Glattauer, Leider hat Lukas, Kremayer & Scheriau, Wien, 2013, ISBN 978-3-218-00881-5