Franzobel, Rechtswalzer – eine Gastrezension von Manuela Grabherr-Gappmayer

Franzobel, Rechtswalzer – eine Gastrezension von Manuela Grabherr-Gappmayer

Franzobel ist wieder einmal unter die Krimiautoren gegangen und hat sich einen politischen Phantasie-Reigen erdacht, der einige Monate nach Entstehung des Buches wohl gar nicht mehr so viel Phantasie benötigt.

Zwei Erzählsträngen folgt die Geschichte. Da ist einerseits Malte Dinger, Besitzer einer Bar, in der am liebsten Gin in verschiedensten Variationen verkauft, Vater eines Schulanfängers, Familienmensch und Ehemann – bis er eines morgens ein Handy findet und beim Schwarzfahren erwischt wird. Letzteres aus Versehen, da ihm seine Frau die Monatskarte aus der Geldtasche genommen und nicht wieder zurückgelegt hatte. Die Strafzahlung konnte er nicht leisten, da fehlten ihm einige Euros, so wurde er festgenommen und inhaftiert. Nicht ohne Pannen. In seiner Wut und Verzweiflung hat er dem Polizisten einen Zahn ausgeschlagen, was sich natürlich nicht mildernd ausgewirkt hatte.

Und andererseits gibt es Kommissar Groschen, der zu einem sensationell grausamen Mord in einem verlassenen Gebäude in der Strozzigasse gerufen wird. Schon bald führt ihn die Spur des Mörders aufs Land zu einer Adelsfamilie, bei der offensichtlich nicht mehr viel Adel übrig geblieben ist. Der Mord soll ad acta gelegt werden, der mögliche Täter  ist und bleibt flüchtig. Groschen glaubt nicht daran. Und wird recht behalten. Ein weiterer Mord, ähnlich grausam beschrieben, im selben Familienumfeld geschieht. Die Suche wird erneut aufgenommen.

Es kommt zum großen Showdown – naheliegend in Österreich, beim Opernball. Hier findet sich der beste Boden um Gesellschaftskritik gedeihen zu lassen. Die zwei Erzählstränge treffen sich und es kommt zu Aufklärungen und damit, nach mehr als 400 Seiten doch zu einem etwas abrupten Ende des Buches.

All das geschieht eingebettet in ein Österreich, das von der rechten Partei LIMES regiert wird, vom Meister und seinem Gehilfen. Die Welt hat sich damit geändert. Die Polizei wurde aufgestockt, Flüchtlinge und andere Nichtwillkommene außer Landes verwiesen, Theaterdirektoren wurden angewiesen bestimmte Autoren nicht mehr zu spielen, und, und, und. Speziell die Beschreibung der politischen Veränderung hinterlässt beim Lesen ein banges Gefühl. Man weiß, dass Franzobel beim Schreiben seines Kriminalromanes vieles, was das heutige Österreich ausmacht, noch nicht gewusst haben kann. Er hat phantasievoll Szenarien vorweggenommen, die für die meisten Österreicherinnen und Österreich zu dem Zeitpunkt nicht denkbar waren. Nun ist der Roman erschienen, lektoriert, gesetzt, gedruckt, und verkauft und Österreich ist der absurden Phantasiewelt Franzobels beängstigend nah gekommen.

So hat es Franzobel auch geschafft in meine Alltagswelt zu gelangen. Bei einer meiner letzten Fahrscheinkontrollen funktionierte die App nicht und ich spürte eine leicht Malte Dinger-Panik aufkommen. Für mich ist alles gut ausgegangen. Österreich ist zu wünschen, dass es allen anderen auch so ergeht.

Franzobel schafft ein Werk voll Sprachgewalt. Er bedient sich ganz unglaublichen Bildern, die ich persönlich nie verfilmt sehen möchte und die an die Grenze verkraftbarer Brutalität gehen. Aber er spielt auch mit den Wörtern, lässt literarische Kunstformen, etwa die der Alliteration einfließen – “Die Teller, Türen, Toiletten waren noch dieselben, auch die Betten, Bestecke, Besen wirkten gewöhnlich.”

“Rechtswalzer” ist ein verstörendes Buch, eines das niveauvoll unterhält. Geeignet nicht nur für Krimileser. Es ist ein Glanzstück österreichischer, sehr österreichischer Literatur.

Franzobel
Rechtswalzer
Verlag Zsolnay
416 Seiten
3552059229

Mag. Manuela Grabherr-Gappmayer MSc, Publizistin, Leserin, vereitelte Buchhändlerin und unermüdliche Projektentwicklerin