Daniel Wisser, Königin der Berge

Daniel Wisser, Königin der Berge

Wenn der Protagonist nach 390 Seiten stirbt, und ich muss nicht heulen wie ein Schlosshund, ist das das sicherste Zeichen für Pathoslosigkeit. (Ich! Wo ich doch schon bei der Ottakringer-Werbung ein Tränchen verdrücken muss…)

Daniel Wisser, hochgelobt und gehypt vom Feuilleton, ausgezeichnet mit dem Österreichische Buchpreis, wird nun auch von mir akklamiert. Erstens weil er mit viel Humor den vermeintlich humorlosesten Abschnitt des Lebens beschreibt: dessen Ende. Zweitens, weil er eine neue Form erfindet: Er streicht durch, was man nicht sagen/denken darf, schwärzt, was man nicht lesen darf, schreibt zwei Versionen: eine wahrhaftige und eine „veröffentlichte“.

Robert Turin (mit der Betonung auf der ersten Silbe) lebt freiwillig in einem Heim. Er ist an Multipler Sklerose erkrankt. Seine Krankheit nennt er Königin der Berge. Sie zwingt ihn in den Rollstuhl und raubt ihm Stück für Stück seine Autonomie. Herr Turin, wie er im Heim genannt wird, will sich den letzten Rest freien Willen bewahren und sich in der Schweiz das Leben nehmen, doch braucht er dafür jemanden, der ihn hinbringt.

Robert Turin ist kein ausschließlich sympathischer Mensch. Er ist ein notgeiler Alkoholiker, der mit seinem toten Kater spricht und seine Frau belügt. Er scheitert kläglich bei mehreren Selbstmordversuchen. Seine Empathie mit anderen HeimbewohnerInnen geht nur soweit, als er selbst keinesfalls so enden will.

„Herzzerreissend komisch“ wie es am Buckrücken steht würde ich Königin der Berge nicht nennen. Aber es ist wirklich erfrischend und überraschend, eine terminale Krankheit aus dieser Perspektive zu erleben. Unweigerlich stellt sich die Frage: Ja darf man das? Ja man darf. Es kann uns alle treffen. Und es tut gut, auch diese Haltung einnehmen zu dürfen. Ehrlich, schmutzig, ekelerregend, aber auch wirklich lustig und absurd.

Ein Hoch auf das Pflegepersonal, das – wie im echten Leben – migrantischer Herkunft und unter furchtbaren Bedingungen dennoch herzlich sein kann.

Mein Vater ist auch sehr krank und pflegebedürftig. Humor hilft, mit vielen überfordernden Situationen umzugehen. Traut euch. Das Leben ist ernst genug!

Daniel Wisser
Königin der Berge
Verlag Jund und Jung
400 Seiten
9783990272244

Ich liebe Schwester Aliki.

Erster Satz

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